Deutsche Bahn ausbremsen. Bis der Tren “Maya’’ zu Grunde geht!

Als Nachtrag zum globalen Aktionstag gegen (Neo-)kolonialismus am 12. Oktober, wurden in der Nacht vom 18. Oktober die Reifen von 4 Firmenautos des Unternehmens “Deutsche Bahn (DB)” geplättet. Der Konzern ist am zerstörerischen Megaprojekt Tren “Maya” in Mexiko beteiligt. Dieses Projekt präsentiert sich als wichtige Innovation für die touristische Attraktivität Mexikos und somit dessen Modernisierung. Was der “Todeszug” jedoch an Konsequenzen mit sich bringt, ist immens. Ein rapider Abbau der Biodiversität, Landraub, Wasserknappheit, weitere Militarisierung der Region und Landesgrenzen, die todbringende Verdrängung von Menschen und ein direkter Angriff auf die Autonomie von indigenen Gemeinschaften und deren Widerstand, sind nur einige Folgen des Tren “Maya”.

In grünen Buchstaben beschriftet die Deutsche Bahn (DB) stolz mit einem neuen Slogan ihre Züge: “Deutschlands schnellster Klimaschützer”.
“Green- and humanright-washing” wäre wohl eine zutreffendere Selbstbezeichnung. Nebst der Tatsache, dass die Deutsche Bahn ein Unternehmen mit kapitalistischem Interesse ist und somit niemals klimapolitische Schwerpunkte über Profit setzen würde, macht ihre Beteiligung an einigen der klimazerstörerischsten Projekte dieses Jahrzehntes diesen Slogan nichts als zynisch.

Die Tochterfirma der Deutschen Bahn ‘DB Consulting & Engineering’ ist (sowie weitere Unternehmen) eine der verantwortlichen Akteur:innen in Europa für ein komplettes Desaster auf der anderen Seite dieses Planeten: Das Megaprojekt Tren “Maya”. Ein Infrastrukturprojekt, welches den Bau neuer Bahn- und Autobahnstrecken im Südosten Mexikos vorsieht. Hierbei handelt es sich um ein von der mexikanischen Regierung initiiertes Projekt, in welches 6 Milliarden Euros, gedeckt von öffentlichen und privaten Investor:innen, fliessen sollen. Mit einer 1’500 Kilometer langen Distanz wird die neue Zugstrecke fünf Bundesstaaten von Palenque bis Cancun miteinander verbinden. Die Regierung verspricht die Modernisierung des Landes, einen Anstieg von Tourismus und somit neue Arbeitsplätze. Die mexikanische Armee verwaltet das Megaprojekt und ein Grossteil der Gewinne gehen an ihre Streitkräfte, ein Booster für deren Wachstum und Macht. Die Armee ist ebenfalls in den Bau gewisser Streckenabschnitte involviert und dient dadurch zur direkten Verteidigung des Projektes gegenüber jeglicher Form von Widerstand.

Seit hunderten von Jahren organisieren sich Menschen in Chiapas gegen die Kolonialisierung ihrer Leben durch kapitalistische Strukturen und Mentalität. Auch gegen den Tren “Maya” gehen zum Beispiel die Zapatist:innen seit Beginn der Projektplanungen vor.

Der Tren “Maya” und Umweltzerstörung

Der Tren “Maya” ist nicht einfach ein Zug: Das Projekt verantwortet die Zerstörung der letzten Regenwälder im Süden Mexikos, die Missachtung der Rechte der indigenen Bevölkerung, Landraub und Vertreibung sowie eine zusätzliche Militarisierung der Region.
Trotz diversen Oppositionen verschiedenster Seiten hat das Ministerium für Umwelt und natürliche Ressourcen (Semarant) 2020 seine Zustimmung gegeben. Die Bauarbeiten sollen bis Dezember 2023 beendet werden.
Das Projekt verantwortet bereits die Abholzung von über 800 Hektaren Wald. Die Zugstrecke führt durch 23 Naturschutzgebiete von welchen vorraussichtlich 20 zerstört werden. Nebst weiteren Bauprojekten in der Region gehört zum Tren “Maya”-Projekt eine neue Autobahn, welche mitten durch den Regenwald führt. Die Bauten treffen und zerstören auch wertvolle Unterwassersysteme, welche die wichtigsten Süsswasserquellen für die indigene Bevölkerung der Region sind. Aufgrund der grossen Einwirkung auf komplexe und sensible Ökosysteme, wird das Projekt eine ausschlaggebende Rolle in der Vorantreibug der globalen Klimazerstörung haben.

“…zwischen 2004 und 2017 verlor einer der letzten großen Regenwälder des Kontinents (der den Süden Mexikos, Belize und Guatemala übergreifende Selva Maya) bereits 546 Tausend Hektar (das entspricht 700’000 Fußballfeldern). Nun droht eine weitere enorme Abholzung durch Projekte wie den Tren „Maya“.

Militarisierung der Region und internationales Interesse daran

Megaprojekte wie dieses bedeuten immer auch eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Sie kommen in Begleitung einer Ausweitung von Überwachung, sozialer Kontrolle und der Stärkung der Autoritäten. Durch den Bau des Tren “Maya” in genau dieser Region und dadurch, diesen unter militärische Kontrolle zu setzen, können Bewegungen von Menschen besser überwacht und illegalisiert werden. Der Tren Maya dient den Interessen derer, welche von der Schliessung der (nationalen) Grenzen profitieren. Das Megaprojekt befindet sich direkt auf einer der wichtigsten sogenannten “Migrationsrouten” von Abya Yala nach Nordamerika. Es überrascht dabei kaum, dass die Entscheidung darüber, wo (geografisch) das Projekt umgesetzt werden soll, auf einer Abmachung zwischen der mexikanischen- und der US-Regierung basiert. Die Verstärkung der Grenzen schützt nationale Interessen, nährt das Gefängnissystem und hält die systematische Ausbeutung von Menschen aufrecht (kurz: Je mehr Menschen für Grenzüberschreitungen illegalisiert werden können, desto mehr Menschen können eingesperrt und als billige Arbeitskraft in Gefängnissen ausgebeutet werden).

„Stellt man die verschiedenen Megaprojekte und Infrastrukturvorhaben auf der Landkarte dar, sieht man, dass sie Bausteine für eine ‚Migrantensperre‘ sind, mit der man die geopolitischen Interessen der USA bedienen will“, meint Sergio Prieto Díaz, Dozent am Colegio de la Frontera Sur der Universität in Campeche

Gleichzeitig sind die mexikanischen Streitkräfte, welche die Infrastruktur des Projektes verwalten, regelmässige Kund:innen europäischer Rüstungsfirmen. Ein grosser Teil ihrer Waffen stammen von deutschen Herstellern wie Heckler und Koch oder SIG Sauer GmbH&Co. So zum Beispiel auch die G36 Sturmgewehre, welche beim brutalen Angriff auf die University of Ayotzinapa 2014 eingesetzt wurden.

Seit Jahrzehnten attackieren militärische und paramilitärische Gruppen indigene Widerstandsbewegungen durch einen “stillen Krieg”. Die Stationierung tausender Soldaten der Armee und Nationalgarde an der südlichen Landesgrenze Mexikos ermöglicht auch eine verstärkte Kontrolle über die zapatistischen autonomen Zonen. Durch das Projekt können die Truppen mit Tonnen von Waffen versorgt werden und somit den Angriff auf eine wachsende, anti-staatliche Bewegung intensivieren. Gegen den Tren “Maya” zu kämpfen bedeutet deshalb auch, autonome Zonen und ihre Kämpfe für ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung zu verteidigen.

Koloniale Ausbreitung…

Dieser Zug und die zur Umsetzung benötigte Gewalt ist nichts weiter als eine weitere industrielle, technologische Entwicklung. Gerechtfertigt durch eine vermeintliche “Unaufhaltbarkeit” des sogenannten “Fortschrittes”.
Beim Tren “Maya” geht es nicht nur um kulturelle Aneignung, sondern um Kolonialismus. Für den Zug wird gemordet, vertrieben und Menschen und ihre Kulturen werden ausgelöscht. Kulturen, welche über 700 Jahre existieren. Dieser “Tourismus” – oder welch zynischer Begriff auch dafür verwendet wird – ist rassistisch und gewaltvoll. Zu beobachten ist ein koloniales Denken und Handeln, welches beabsichtigt, die jetzigen indigenen Gemeinschaften die dort leben, ihre Geschichten und Lebensformen, in touristische Attraktionen für reiche Menschen umzuwandeln. Es ist eine koloniale Mentalität, mit diesen Gemeinschaften und ihrer Geschichte dann Geld zu verdienen. Einerseits werden indigene Gemeinschaften “ausgestellt”, da der Zug bewusst an indigenen Dörfern vorbei führt, andererseits werden sie ausgelöscht um später dann noch als touristische Mythologien zu existieren, welche sich optimal für westliche Tourist:innen anbieten.

Und wiederum offenbart auch die Frage nach der energetischen Versorgung des Projektes die neokolonialen Abgründe des grünen Kaptalismus: Deutschland propagiert Klimaschutz und CO2 Neutralität. Aber die Züge der Deutschen Bahn gewinnen einen Grossteil ihrer Elektrizität durch Extraktivismus, besonders aus der Kohleindustrie. ‘’Die Blutkohle ist Teil einer kolonialen Kontinuität und macht die imperiale Lebensweise im globalen Norden sichtbar.’’ (Kira Geadah)

… eingebettet in eine patriarchale Logik

Für uns steckt hinter einer Dynamik, alles was lebendig ist zu besitzen, kontrollieren und zerstören, eine patriarchale, gewaltvolle Mentalität. Eine soziale Ordnung, basierend auf Hirarchien und Rivalität um Macht, welche notwendig ist um kapitalistische Strukturen auszubreiten.
Durch dass fundiert abgelehnt wird, was materielle und emotionale Notwendigkeiten für das Leben sind und somit auch die gegenseitige Abhängigkeit jeder Form von Leben (z.b Mensch und Natur) ignoriert wird, entsteht eine patriarchale Kriegslogik. Unterwerfen, unterdrücken und herrschen.
Dieses Gesellschaftsmodell wird Menschen weltweit durch Zwang auferlegt. Spaltung, Kontrolle und dass einige wenige im Besitz der Existenzgrundlagen aller sind, sind Voraussetzungen für kapitalistisch-patriarchale Herrschaftsstrukturen.

Und wer leidet unter der Privatisierung von Land und der Zerstörung jeglicher Ökosysteme dieser Erde? Der Planet wird zu einem Luxusresort für wenige, ermöglicht durch Abgrenzung und ökologischen Rassismus. Diejenigen, welche am wenigsten verantwortlich sind für den Klimawandel sind die, welche am meisten davon betroffen sind.

Deutsche-Bahn Consulting & Engineering

Offiziell tritt ‘DB C&E’ im Tren “Maya”-Projekt zusammen mit 2 weiteren europäischen Unternehmen als “Schattenbetreiber” des mexikanischen Nationalen Fonds für Tourismusentwicklung (FONATUR) auf. Die Beteiligung europäischer Unternehmen verschafft einerseits der mexikanischen Regierung mehr Anerkennung für das Projekt, da es dadurch eher als “Zeichen für Fortschrittlichkeit” gesehen wird. Gleichzeitig legitimiert es auch die Diffamierung jener Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen gegen das Projekt stellen.
Andererseits können die Unternehmen durch ihre Rolle als “Schattenbetreiber” ihre Beteiligung innerhalb von Europa unsichtbar machen. Unternehmen wie die ‘DB C&E’ sind sich bewusst, dass ihre Beteiligung an Projekten wie diesem nicht mit ihrem neuen ökologischen Fairtrade-Image einhergehen.
Die Riesenprofite (‘DB C&E’ erhält vertraglich über 8 Millionen Euro durch Tren “Maya”) und die rentablen, kapitalistischen Beziehungen welche das Unternehmen aufbauen kann, scheinen es aber wert zu sein.

Der Tren “Maya” ist nicht der einzige grosse Deal, den die ‘DB C&E’ im letzten Jahr abgeschlossen hat. Um nur wenige weitere zu nennen, welche sich unüberraschenderweise nicht auf dem europäischen Kontinent befinden: Die Beteiligung am Bau des neuen Eisenbahnetzwerkes für die Fussball Weltmeisterschaft 2022 in Katar oder die Verträge und direkte materielle Abhängigkeit von Kohle-Minen in Kolumbien.

“…muss man sich vor Augen führen, woher der „Klimaretter“ Deutsche Bahn für ihre „grünen“ Züge den benötigten Strom bezieht: Ein Viertel des gesamtdeutschen Bahnstroms wird aus dem Kohlekraftwerk Datteln IV geliefert..”

Das neoliberale Projekt des mexikanischen Staates wird von Unternehmen weltweit getragen und finanziert. Unter ihnen auch SIEMENS und TÜV Rheinland.

Widerstand

In Abya Yala gibt es viel Widerstand in verschiedenen Formen gegen den Tren “Maya” von indigenen und ländlichen Gemeinschaften. Doch auf Widerstand folgt Repression: Landraub, Verdrängung und das Morden von Gegner:innen wurde zu einer alltäglichen Normalität für den (mexikanischen) Staat. Nachdem die Autoritäten Menschen davon abgehalten haben, bei der Umsetzung des Megaprojektes mitzusprechen (Kein Zugang zu Informationen, keine Abstimmungsmöglichkeiten etc.), investieren diese nun eine Menge Energie darin, jeglichen Widerstand dagegen unsichtbar zu machen und abzutöten.

Mit diesem Angriff auf die Deutsche Bahn wollen wir uns mit den Kämpfen der Menschen in Abya Yala solidarisieren und diese unterstützen. Von dem Kontinent auf dem wir leben geht unendlich viel Zerstörung und Unterdrückung aus. Wir wollen uns an den dafür Verantwortlichen für ihre versteckten kolonialen Verbrechen rächen.
Wir möchten uns mit den Kämpfenden weltweit verbinden und diejenigen angreifen, welche Tod und Zerstörung verbreiten. Auch wenn es manchmal so scheint, als dass nicht mehr viel gerettet werden kann, so sind wir der Ansicht, dass die todbringenden Prozesse sabotiert und somit in die Länge gezogen werden können. Diejenigen, die sich zurücklehnen und profitierend zuschauen während die Erde zugrunde geht, sollen für deren Zerstörung bezahlen. Die Deutsche Bahn ist nur eine von vielen möglichen Zielen im Kampf gegen koloniale Mächte, die Ausbeutung von indigenem Leben und die Vorantreibung der Klimazerstörung weltweit. Die Liste ist lang und die Möglichkeiten sind vielfältig.

Als wichtigen Teil dieser Kämpfe sehen wir auch die Verbreitung von Informationen und dass wir Aktionen des Widerstandes sichtbar machen. Ein grosser Teil der Informationen hierfür kommt von der ausführlichen Recherchearbeit «Tren „Maya“ Made in Germany – The ‘Deutsche Bahn’ and the train of destruction», welche im Sommer 2021 veröffentlicht wurde. Alle Zitate welche in diesem Text hier verwendet wurden kommen von hier:

h t t p s: // w w w. y a – b a s t a – n e t z. o r g / t r e n – m a y a – m a d e – i n – g e r m a n y – e s p a n o l /

Weitere interessante Quellen für Aktionen aus Abya Yala:

www.elsurresiste.org
– Dynamit für Tren Maya!: https://kontrapolis.info/11348/

und weiter einige Aktionsbeispiele aus Europa gegen involvierte Unternehmen:

-beispielaktion gegen tren maya: https://kontrapolis.info/10958/
-beispielaktion gegen SIEMENS: https://kontrapolis.info/9207/

Wir sind in Gedanken bei all denen, welche im Widerstand gegen dieses und andere Megaprojekte eingesperrt, verfolgt oder ermordet wurden und werden.
Gemeinsam und weltweit gegen Megaprojekte und die dahinter stehenden Zerstörungsmechanismen.

Aus einer antipatriarchalen und antikolonialen Perspektive, mit Liebe.

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passiert am 18.10.23